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Hundetrainer haben perfekte Hunde, oder?

Nadine Weissheimer • Okt. 31, 2020
Als Hundehalter bin ich nur ein Mensch. Natürlich habe ich über die Jahre Wissen und Erfahrung gesammelt deshalb kann mein Verhalten an verschiedene Situationen gut anpassen. Doch ich mache auch Fehler, obwohl ich es eigentlich besser weiß. Später denke ich dann, wie konntest du nur so blöd sein? Ich habe manchmal genauso Tomaten auf den Augen und Ohren, sehe Dinge nicht, die von außen vollkommen offensichtlich sind. Wenn ich dann darauf hingewiesen werde, bin ich erstaunt, dass mir das nicht vorher aufgefallen ist, ich müsste es doch eigentlich besser wissen.

Ich hab manchmal riesige Angst, dass ich Verhalten xy bei meinem Hund nicht verändern kann, ziehe voreilige Schlüsse und mir fällt es schwer Geduld mit mir zu haben. Das sind Eigenschaften, die ich als Mensch besitze und ich habe mich in der Vergangenheit von ihnen häufig treiben lassen. Ich war Meisterin darin mich im Selbstmonolog so richtig runter zu putzen. Wie konnte das schon wieder passieren? Warum hast du da nicht besser aufgepasst? Du hättest das doch sehen müssen? Was für ein lausiger Hundetrainer bist du eigentlich, wenn du das nichtmal bei deinen eigenen Hunden hinkriegst?

Hundetrainer unterliegen einem ähnlichen Phänomen wie Erzieher oder Lehrer. Die Umwelt erwartet scheinbar, dass die eigenen Hunde/Kinder perfekt sind und diese Erwartung stülpe ich mir oft ganz automatisch über. Nicht nur im Sinne von: „Was wenn mich jetzt ein Kunde sieht, wie das gerade total in die Hose geht mit meinem Hund?“, sondern auch „Wie kann ich es rechtfertigen professionelles Coaching anzubieten, wenn ich das noch nichtmal mit meinem Fellfreund hinbekomme?“.

Ist das Quatsch? Ja, das ist Quatsch. Macht es Sinn sich selbst so shitzutalken? Es macht garkeinen Sinn. Vor kurzem habe ich einen Podcast von Betreues fühlen zum Thema Selbstmitgefühl gehört. In jeder Podcast Folge unterhalten sich Atze Schröder und Leon Windscheid über ein bestimmtes Gefühl und da Leon Windscheid ein wissenschaftsaffiner Psychologe ist, werden Fakten aus der Wissenschaft in jeder Folge reziriert.

In dieser Folge ging es darum, dass Menschen, die selbstmitfühlend mit sich umgehen und dieses Shittalken im eigenen Kopf unterlassen, deutlich glücklicher und auch besser in der Lage sind mit Herausforderungen umzugehen. Viele Menschen glauben Perfektionismus und der hohe Anspruch an sich selbst, der letztlich bei Nichterfüllung diese überbordende Selbstkritik auslöst, sind das was uns heutzutage weiterbringt und erfolgreich macht. Ich persönlich glaube, dass in Wirklichkeit genau darin viel Unglück begraben liegt. Es erschwert mir massiv mit Rückschlägen umzugehen, denn zu der Schwierigkeit, die ich bewältigen muss oder dem Scheitern, das ich verkraften muss, kommt jetzt noch mein eigener Gedankenkreislauf hinzu, der die negative Gefühlslage in der ich mich ohnehin schon befinde noch weiter vertieft. Ich muss also auf einen Stressor reagieren und als ob das nicht reicht, sind dann meine eigenen Gedanken gleich zur Stelle, um mich fertig zu machen wie mies ich schon wieder abgeschnitten habe. Wie Treibsand sinke ich immer weiter ein.

Und ich bin auch noch froh drum, denn in dieser Gedankenspirale kenne ich den Schuldigen ja und kann ihm alles vorwerfen, was gerade schief gelaufen ist. Das ist viel einfacher als sich mit tatsächlichen Lösungen zu befassen.
Da ich das schon sehr lange mache, ist das ein Verhaltensmuster, das mein Gehirn auch schon sehr gut kennt und in dem es sich wohlfühlt, denn es spart Energie, wenn keine Neueinschätzung einer Situation vorgenommen werden muss, sondern man sich auf alte Reaktionsmuster zurückfallen lassen kann. Mein Hirn fühlt sich sicher: Das war schon früher so, wir habens überlebt, also machen wir das gleich nochmal so, auch wenn's sich eigentlich mies angefühlt hat.

Ich glaube es ist in Ordnung mich selbst zu fragen, wie es eigentlich dazu kommen konnte, dass ich bestimmte Dinge nicht wahrgenommen habe und mir dann Fehler mit meinen eigenen Hunden unterlaufen sind, die ich bei einem Kunden sofort im Keim erkannt und bearbeitet hätte. Es ist nicht in Ordnung stunden- oder tagelang dafür auf mich selbst einzuprügeln. Schau mal: Das würde ich mit meinem Kunden ja auch niemals machen.

Jedes Verhalten entsteht angepasst an eine bestimmte Situation und diese Situation zu erfassen und sie dann zu verändern, damit sich mein Kunde nächstes mal anders verhalten kann, bringt uns der Lösung am Ende wirklich näher. Mein Selbstbashing dagegen tut genau das Gegenteil.

Was ich mir für mich wünsche

Ich möchte lernen meine eigenen Fehler wahrzunehmen, anzunehmen, kurz darüber nachzudenken warum sie passiert sind und sie dann als Impuls für eine neue Entwicklung in der Zukunft mitzunehmen. Ich möchte mir selbst sagen, dass es in Ordnung ist Fehler zu machen und es auch glauben. Auch als Hundetrainer, auch mit seinen eigenen Hunden. Es ist in Ordnung nicht perfekt zu sein. Es ist in Ordnung den Weg immer wieder anzupassen, mal in Sackgassen zu geraten oder eine Ausfahrt zu verpassen. Es ist in Ordnung auch als Hundetrainer um Hilfe zu bitten, um den wertvollen Blick von außen ohne Filtern und Brillen für die eigene Entwicklung und die Entwicklung der eigenen Hunde zu nutzen genau wie ich es auch meinen Kunden anbiete.

In diesem Sinne möchte ich euch gerne diese beiden Podcast Folgen meiner Kollegin Tina Schwarz vorstellen, die mich mit ihren wertvollen Gedanken immer wieder weiterbringt, mir hilft mehr über mich selbst zu lernen, zu erfahren und Veränderungen möglich zu machen. Nur weil ich heute so bin, bedeutet das nicht, dass ich morgen auch noch so sein muss. Ich kann mich verändern und ihre Worte helfen mir immer wieder dabei mir daran zu erinnern:


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