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Buchrezension: Leben mit Jagdhund von Ines Scheuer-Dinger

Nadine Weissheimer • März 21, 2020
Auch kleine, flauschige Hunde können passionierte Jäger sein.
Das Leben mit Jagdhunden kann anstrengend sein. Sie ziehen an der Leine und sobald man den Wald betritt, haben sie Tomaten auf den Ohren und kriegen sie das Wild dann auch noch zu Gesicht, kreischen sie nicht selten in höchsten Tönen und testen die Standfestigkeit ihres Menschen auf Gröbste.

Ab 2012 hatte das Vergnügen mit einem jagdlich stark motivierten Hund zusammenzuleben. Die oben beschriebenen Verhaltensweisen sind mir alle begegnet inklusive zweimaliger stundenlanger Suche nach meinem verschwundenen Hund und einmal einem Beinah-Ausflug auf die befahrene Autobahn nachdem ein Hase neben uns hoch ging.

Natürlich war schnell klar: Da muss ich was tun. Was aber denn am besten? Erstmal Leine dran! Auch 6 Jahre später würde ich das immer als erste Maßnahme empfehlen.

Viele Jahre habe ich damit verbracht mir Wissen anzulesen, Seminare zu besuchen und Webinaren zu lauschen, um zu erfahren wie ich mit meinem Hund ein harmonischeres Leben gestalten kann und wie oben beschriebene Szenarien vermieden werden können. Vor etwa zwei Wochen habe ich begonnen mich mit dem Buch "Leben mit Jagdhund" von Ines Scheuer-Dinger erschienen im Cadmos Verlag zu beschäftigen. Dieses möchte ich euch gerne einmal vorstellen:
Was macht dieses Buch für mich besonders?
Im Gegensatz zu vielen anderen Büchern und Ansätzen, die mir begegnet sind, wird hier nicht zuallererst daran gearbeitet das Jagdverhalten aktiv zu unterbrechen. Der Aufbau des sicheren Rückrufs wird erst als drittes großes Trainingsziel gesetzt. Das macht auch viel Sinn, denn mit dem Rückruf ist der Jagdspaß für den Hund in der Regel vorbei. Damit der Hund das leisten kann, werden zwei Trainingsziele vorangestellt. Es wird sehr detailliert beleuchtet welche Faktoren das Jagdverhalten beeinflussen und wie sich Wohlbefinden und Bedürfnisbefriedigung im Alltag auf den Erfolg des Trainings auswirkt. Es werden Empfehlungen und Anleitungen gegeben wie diese Stellschrauben erkannt und optimal ausgerichtet werden können. Im zweiten Schritt geht es dann darum das Jagdverhalten des Hundes zu verändern. Für den Hund ist das Jagen eine spannende und sehr belohnende Sache, wer als Mensch nur als Buhmann am Rande steht und zuschaut, hat schlechte Karten Aufmerksamkeit und Kooperation zu fördern. Deshalb wird hier sehr genau darauf eingegangen wie der Hund seine Jagdpassion ausleben kann ohne Wildtiere zu gefährden und wie wir als Menschen uns in dieses Abenteuer integrieren können.

Dieses Buch bietet einen umfassenden Blick auf das Thema Jagdverhalten und Training mit Jagdhunden, spart aber auch nicht mit sehr wertvollen Detailinformationen, die das Training und die Kooperationsbereitschaft oft entscheidend verbessern können. Es wird neben den sehr guten Trainingsanleitungen auch viel Hintergrundwissen geboten. Viel Wert wurde in meinen Augen auf einen verständlichen Aufbau gelegt, so dass auch Menschen, die zum ersten mal mit einem Jagdhund zusammenleben, nach und nach immer mehr Verständnis für das Verhalten ihres Hundes entwickeln und die Prinzipien hinter dem Training verstehen können. So wird der Leser befähigt selbstständig mit seinem Hund zu arbeiten und Erfolge zu erzielen.

Die gut verständlichen Anleitungen, die vielen praktischen und wertvollen Details, die Leichtigkeit mit der auch komplexe Zusammenhänge erklärt werden und der freundschaftliche Blick auf den Mitbewohner Jagdhund, macht dieses Buch für mich zu einer absoluten Leseempfehlung und eigentlich schon einem "Must-have" für alle Menschen mit Jagdhund.
"Wir hemmen nicht ihn (den Hund) nicht in seiner Passion, sondern fördern ihn an den richtigen Stellen."
Blick ins Buch:
Das Buch ist sehr geschickt in fünf thematisch sortierte Abschnitte unterteilt von dem vier für den normalen Jagdhundehalter ohne jagdlichen Einsatz wichtig sind. Der letzte Abschnitt beschäftigt sich mit der Ausbildung von Hunden für den jagdlichen Einsatz. Auch hier lassen sich, beispielsweise beim Aufbau des Apports Anregungen für das Training mit Jagdhunden "ohne Job" finden.
1. Jagdverhalten verständlich erklärt
Neben einer Einführung wie das Buch verwendet werden sollte, wird im ersten Abschnitt das Jagdverhalten des Hundes  erläutert. Was macht der Hund da genau? Warum macht er das? Wie funktioniert eigentlich eine Jagdverhaltenssequenz? Diesen Abschnitt finde ich ganz besonders wichtig, denn oft empfindet man das Jagdverhalten seines Hundes im Alltag als Last und störend, etwas das am besten gelöscht werden kann. Ines beschreibt hier sehr anschaulich und leicht verständlich, warum dies ein frommer Wunsch bleiben wird und welche Chancen darin liegen sich genauer mit dem Jagdverhalten seines Hundes zu beschäftigen. Es wird kurz auf Mythen über das Jagdverhalten eingegangen und vier Seiten sind den verschiedenen Jagdhundetypen und ihren speziellen Bedürfnissen gewidmet.
"Die Geschichte der Jagdhunderassen zeigt, dass Jagdverhalten nicht als großer "Klumpen" betrachtet werden kann, sondern sehr differenziert ist. Deshalb ist auch beim Training und eine differenzierte Betrachtung und individuelle Herangehensweise erforderlich, wenn man langfristig Erfolg haben möchte."
2. Grundlagen für eine gute Partnerschaft:
In diesem Abschnitt wird das Ziel des Buches formuliert: Mit freundlichen und fairen Methoden, die überwiegend auf positiver Verstärkung und Bedürfnisorientierung beruhen, soll das Verhalten des Jagdhundes zu unseren Gunsten verändert werden. Auf weiteren zehn Seiten erfährt der Leser wie dieses Ziel erreicht werden soll und welche grundlegenden Trainingstechniken vom Menschen erlernt werden sollten. Dabei wird der Lesen nicht nur mit dem "Wie", sondern auch mit Informationen über das "Warum" versorgt, was ich sehr angenehm finde. Ausführlich wird besprochen wie man die Bedürfnisse des eigenen Hundes erkennen und für das Training nutzen kann.
"Faires Training schafft Erwartungssicherheit und macht den Hund zu einem verlässlichen Partner, der gern mit seinem Menschen arbeitet"
Stehen und Beobachten, viele Menschen mit passionierten Jagdhunden fangen hier schon an die Leine kürzer zu nehmen und rufen ihren Hund zu sich. Im dritten Abschnitt wird unter anderem besprochen, weshalb dieses Verhalten so wertvoll für das Training eines jagdlich motivierten Hundes ist.
3. Training am Jagdverhalten:
Jetzt geht's ans Eingemachte! Auf der ersten Seite wird nocheinmal eine Zusammenfassung geliefert welche Fähigkeiten der Mensch an dieser Stelle haben sollte, um optimal ins Training starten zu können. Das finde ich toll, denn so werden die wichtigsten Elemente aus den vorherigen Kapiteln nocheinmal aufgegriffen und in Erinnerung gerufen. Der Leser hat die Chance zu erkennen, wo noch nachgebessert werden kann, um das Training zu verbessern.

Nach einem kurzen Blick auf die richtige Ausrüstung wird mit Schritt 1 des Trainings begonnen. Im Mittelpunkt steht der zufriedene und gesunde Jagdhund. Hat der Hund ausreichend Gelegenheit seinen Bedürfnissen nachzukommen oder ist er die meiste Zeit fahrig, abgelenkt und kann sich nur selten auf Belohnungen einlassen? In diesem Kapitel erfährt der Leser außerdem welchen Einfluss Gesundheit auf das Wohlbefinden und damit auch das Jagdverhalten hat. Ein zweiseitiger Expertenbeitrag der Hundphysiotherapeutin Dagmar Zeitner zeigt Möglichkeiten auf wie sich Anzeichen für eventuelle Beschwerden beim Hund erkennen lassen. Dieses Kapitel ist ein kleines Werkzeugkästchen aus Stellschrauben, die sich für den optimalen Trainingserfolg ausrichten lassen: Ernährung, Ruhe und Entspannung, Impulskontrolle, Umgang mit unangenehmen Situationen, Gestaltung der Spaziergänge. Ein Expertenbeitrag von Esther Follmann erläutert wie konditionierte Entspannung wirkt und auf welche Weise sie für das Training nützlich ist.

Die Einleitung zu Schritt 2 finde ich besonders schön:
"Stellen Sie sich vor, Sie lieben lange Wanderungen in den Alpen und Sie sind mit Ihrem Partner auf einer wunderschönen Tour. An der atemberaubenden Aussicht und dem tollen Panorama, an den Kühen auf der Alm und dem kleinen Bach, aus dem man trinken kann, würden Sie sich gerne erfreuen. Allerdings bremst ihr Partner Sie ständig und redet alles schlecht. Er erzählt, wie gefährlich solche Touren sind, dass er das Wanderung überhaupt für großen Mist hält. Als Sie sich gerade zwei Schritte vom Weg entfernen und sich bücken, um sich ein Edelweiß anzusehen, schreit Ihr Partner Sie an."
Ines stellt die Frage: Wie fühlen Sie sich dabei? Ziemlich blöd und dem Hund geht es ähnlich. Deshalb ist dieses Kapitel der Kooperation am jagdlichen Auslöser gewidmet: Wild wittern und anzeigen. Der Mensch lernt, wie er Teil des tollen Jagderlebnis seines Hundes wird und sich aus der Buhmann-Position befreien kann. Der Hund lernt, dass er positives Feedback bekommt, wenn er Wild anzeigt anstatt gleich loszurennen. Das Kapitel schließt mit einem Fallbeispiel und einer Zusammenfassung , die ich besonders wertvoll finde, da sie die wichtigsten Inhalte nocheinmal auf den Punkt bringt.
Ines hat mir freundlicherweise dieses Video zur Verfügung gestellt, wo sehr schön zu sehen ist, wie Kooperation bei Wildsichtung dadurch gefördert wird, dass das Jagdverhalten eben nicht unterbrochen wird:
In Schritt 3 wird der Aufbau des sicheren Rückrufs erklärt, der aus zwei Teilen besteht: Dem Umorientierungssignal und dem Ankersignal. Da zwei Signale getrennt voneinander aufgebaut und dann miteinander kombiniert werden, ist dieser Rückruf besonders sicher. Es wird auf mögliche Fallstricke hingewiesen und nocheinmal deutlich herausgestellt, dass es sich um ein Abbruchssignal handelt, das lebensrettend sein kann, das Jagdverhalten wird durch den Rückruf aber nicht verändert.

Sieben weitere Seiten widmen sich am Ende des Kapitels "Training am Jagdverhalten" weiteren Signalen und Helferlein, wie Ines es so liebevoll beschreibt. Darunter befindet sich beispielsweise die Jagd nach gutem Verhalten, der Arbeitspfiff und es wird erklärt wie die Übung "Stoppen und Sitzen" aufgebaut wird.
4. Bedürfnisgerechte Beschäftigung und 5. Jagdliche Führung
Den Abschluss des Buches bietet einen Einblick in Ines Gedanken zur bedürfnisgerechten Beschäftigung von Jagdhunden und der jagdlichen Führung von Hunden. Besonders wertvoll fand ich hier die Hinweise woran sich erkennen lässt, ob man die passende Beschäftigung für seinen Jagdhund bereits gefunden hat oder ob die Aktivität vielleicht doch vorallem mit Frust und Aufregung verbunden ist, weil sie die Bedürfnisse des Hundes nicht genau trifft.

Das Kapitel über die jagdliche Führung von Hunden fand ich als reiner Familienhundehalter sehr interessant zu lesen. Es wird zudem der Aufbau des Apports beschrieben, den ich sicher auch für mich und meine Hunde einmal ausprobieren werde.
Fazit:
Trotz dessen, dass ich mich schon so viele Jahre mit dem Training von jagdlich motivierten Hunden beschäftige, hat mich dieses Buch nocheinmal neu begeistert und motiviert. Nachdem ich das Buch gelesen habe, habe ich wieder richtig Lust frisch ins Training mit meiner Jagdnase zu starten, etwas mehr Detektivarbeit zu leisten und mich am Jagderlebnis meines Hundes wieder aktiver zu beteiligen.
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