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Trainingstechniken unter der Lupe - Teil 2

Nadine Weissheimer • Aug. 16, 2022

Aus Fehlern lässt sich lernen, aber zuviele Fehler zu machen, sorgt für Verdruß und ein Gefühl von "ich kann das nicht schaffen" stellt sich ein.

Im Teil 1 dieses Blogartikels ging es um die negativen Aspekte des folgenden Zitates oder wie es im schlechtesten Fall verstanden und umgesetzt werden kann. In diesem Artikel möchte ich gerne die positive Auslegung beschreiben.

Der Ausspruch lautete, frei aus meinem Gedächtnis zitiert, sinngemäß: "Wir machen alle anderen Türen zu und sorgen so dafür, dass das Pferd nur durch eine einzige offene Tür gehen kann. Zu Anfangs wird das Pferd möglicherweise versuchen verschlossene Türen einzutreten, aber das wird von mal zu mal weniger. Wenn es die offene Tür gefunden hat, loben wir es."

Das Bild von offenen und geschlossenen Türen finde ich nämlich ehrlich gesagt garnicht so schlecht. Für meinen Versuch die positive Auslegung zu beschreiben, möchte ich gerne das Bild eines Gangs bemühen. Stellen wir uns vor die "Lernreise" unseres Tieres beginnt am Anfang dieses Gangs und jede Verhaltensoption, also jedes Verhalten, das mein Tier wählen könnte, stellt eine Tür dar. Ich kann die Türen jetzt verbarrikadieren wie im Teil 1 beschrieben oder ich sorge dafür, dass dieser Flur so wenig Türen wie möglich besitzt. Wie kann mir das gelingen?

"Türen wegzaubern" = Den Erfolg so wahrscheinlich wie möglich machen

Oder die englische Variante: Setup for success. Ich gestalte die Lernbedingungen so, dass mein Hund möglichst schnell selbst auf die richtige Idee kommt. An einem einfachen Beispiel möchte ich erklären was ich meine:

Möchte ich meinem Hund beibringen seine Nase gegen meine Hand zu stupsen, dann habe ich die Option am Anfang dieses Lernprozesses meine Hand sehr nahe an der Hundenase zu platzieren, so dass der Hund eine ganz geringe Strecke zurück legen muss, um das richtige Verhalten zu zeigen. Oder aber ich platziere meine Hand beispielsweise hinter meinem Hund bzw. sehr weit weg von der Hundenase. Die Chance, dass er diese Verhaltensoption wählt und die "offene" Tür findet, ist schwindend gering. Wir passen also Umfeld und Aufbau so an, dass der Hund möglichst schnell auf die richtige Idee kommt und wir ihn dann rasch für seine tolle Idee belohnen können.

Bin ich gedankenlos, unerfahren oder ungeschickt, dann platziere ich die Hand so weit vom Hundekopf weg, dass ich dem Gang tausend neue Türen hinzufüge. Dass der Hund auf die richtige Idee kommt, ist unwahrscheinlich. Wenn ich meinem Hund etwas neues beibringen möchte, kann ich mich also zu allererst fragen: Was braucht mein Hund, um möglichst schnell auf die richtige Idee zu kommen.

Weg 2: Ein Weg voller Hinweisschilder und gut gebauter Straßen

Selbst wenn wir freundlich mit unserem Hund trainieren, gibt es Hunde, die aufgrund von Persönlichkeit oder Lernerfahrungen eher zurückhaltend Eigeninitiative zeigen. Sie suchen die offene Tür nicht mit besonders viel Elan. Gerade diese Hunde profitieren sehr davon, wenn sie sehr schnell zu einem Erfolgserlebnis kommen und so mit der Zeit immer mutiger Neues ausprobieren. Sie machen die Erfahrung, dass eigene Ideen sich lohnen. Das macht sich nicht nur im Training, sondern auch im Alltag bemerkbar, denn Hunde, die eigenen Ideen vertrauen, sind in der Lage Probleme besser und schneller zu lösen und finden sich in unserer Welt damit leichter zurecht. Der Hund gewinnt an Lebensqualität und wir als Menschen auch, denn wir müssen nicht bei jedem kleinen bisschen sozusagen die Pfote halten.

Aber auch Hunde, die schnell Neues ausprobieren, profitieren sehr davon, wenn es ihnen so leicht und klar wie möglich machen. Ihre Motivation und die Freude am Lernen bleibt erhalten.

Welche Stellschrauben können wir nun anpassen, um den Hund dabei zu helfen schnell zu verstehen was wir von ihm möchten, also möglichst wenig "Fehler" zu machen?

  • Kleine Zwischenschritte - statt direkt zu erwarten, dass der Hund gegen die Hand stupst, können wir jede Annäherung an die Hand belohnen, dann weiß der Hund schnell: "Ah um die Hand geht es also".
  • Lernumgebung gestalten - statt die Hand sehr weit weg zu halten, halten wir die Hand zu Anfangs näher an die Hundenase heran.
  • Verständigung mit klaren Signalen - ein Markersignal hilft dabei, dass der Hund ganz genau weiß an welcher Stelle sich sein Verhalten gelohnt hat - dafür bekommt er die Belohnung. Es gibt wenig Spielraum für Interpretation. Eine klare Kommunikation führt immer zu einem schnelleren Erfolg.
  • Nach 3 erfolglosen Wiederholungen Pause einlegen und nachdenken: Woran liegt es, dass mein Hund nicht versteht was ich von ihm will und wie könnte ein noch kleinerer nächster Schritt sein?
In ein Trainingskonzept übersetzt bedeutet das, dass wir erwünschtes Verhalten durch die Gestaltung des Trainingssettings begünstigen und dann gut belohnen, so dass im Hundehirn ankommt: Wenn ich das mache, dann lohnt sich das für mich.

Der Hund ist mit Spaß und Motivation bei der Sache und wenn wir ihm das nächste mal anbieten etwas neues zu lernen, ist er sicher wieder gerne dabei. Er verbindet nicht Frust und Scheitern mit der Lernsituation, sondern Vorankommen und ein allgemeines Gefühl von "ich kann das schaffen" stellt sich ein. Genau deshalb sind Tricks und positiv gestaltete Lerneinheiten für unsichere Hunde und Hunde mit Ängsten auch besonders wertvoll.

Als kleiner Tipp: Hunde, die viel Spaß am lernen haben und gegebenenfalls mit sehr leckeren Leckerchen belohnt werden, können bereits aufgeregt werden, wenn sich schon abzeichnet, dass gleich Lernen angesagt ist. Um das zu vermeiden, empfehle ich jede Lerneinheit mit Ruhe zu beginnen und mit Ruhe zu beenden. So bleibt im Hundegehirn eher haften, dass garnicht schnell hochgedreht werden muss, sondern auch Ruhe dazu führt, dass die schmackhaften Leckerchen ins Hundebäuchlein wandern.

Fazit:

Es geht auch freundlich und wer sein eigenes Timing gut schult und immer besser darin wird das Trainingssetting passend für das Lerntempo des eigenen Hundes zu gestalten, der wird sehr schnell und effektiv Ergebnisse erzielen ohne, dass das Tier Angts, Schmerz oder Frust empfinden muss.
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